Im Herzen Marokkos, in der alten Stadt Fes, wo sich enge Gassen zwischen Medressen und Gewürzmärkten schlängeln, entstand eines der poetischsten Gerichte der nordafrikanischen Küche: Lamm-Tajine mit Feigen. Es ist nicht nur ein Gericht, sondern eine kulinarische Allegorie: Die Kraft des Fleisches wird durch die Süße der Feigen gemildert, die Würze der Gewürze durch eine honigsüße Note ausgeglichen, und der Dampf, der aus dem konischen Deckel des Tontopfs aufsteigt, trägt den Duft einer jahrtausendealten Kultur. Tajine ist nicht nur der Name des Gerichts, sondern auch des Gefäßes selbst, in dem es stundenlang bei niedrigen Temperaturen schmort.
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Das traditionelle Rezept beginnt mit der Auswahl des Fleisches: Bevorzugt werden Lammfilet oder -schulter, in große Stücke geschnitten. Das Fleisch wird in einer Marinade aus Knoblauch, Kreuzkümmel, Koriander, Paprika und einer Prise Safran – Marokkos „rotem Gold“ – eingelegt. Die wichtigste Zutat sind getrocknete Feigen, die in Fès als Symbol des Überflusses gelten. Sie werden in warmem Wasser eingeweicht, bis sie weich, aber noch bissfest sind. Manche Köche geben außerdem Honig und Blütenwasser – Rosen- oder Orangenblütenwasser – hinzu, um die orientalische Süße zu verstärken.
Die Tajine wird in einem Tontopf zubereitet, der zuvor in Wasser eingeweicht wurde, um ein Springen zu verhindern. Zuerst kommen die Zwiebeln in den Topf, dann das Fleisch, die Gewürze, die Feigen und etwas Olivenöl. Es wird kein Wasser hinzugefügt: Alles köchelt im eigenen Saft, und der konische Deckel hält das Kondenswasser zurück in den Topf, wodurch ein Selbstgareffekt entsteht. Das Gericht köchelt mindestens 2–3 Stunden über Holzkohle oder bei niedrigster Hitze, bis das Fleisch buchstäblich auf der Zunge zergeht.
