Denkt man an die deutsche Küste, kommen einem meist sofort die Ostsee oder die Badeorte Bayerns in den Sinn. Doch im hohen Norden des Landes, in Niedersachsen, liegt Ostfriesland – ein Archipel aus sieben Inseln und Küstenstädten, wo ein ganz eigener Lebensrhythmus herrscht. Hier ticken die Uhren langsamer, und die Gezeiten, die Teezeremonien und die Stille der Dünen sind die Hauptattraktionen.
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Ostfriesland ist die Wiege des deutschen Tees. Nicht des Weins, nicht des Biers, sondern des Tees: Seit dem 19. Jahrhundert ist die Region ein Zentrum für den Import und die Mischung verschiedener Teesorten. In fast jedem Haushalt findet sich eine Sammlung von Dutzenden von Teemischungen, und in den Teestuben wird Ostfriesentee nach einem strengen Ritual mit Zucker und Sahne serviert: zuerst die Sahne, dann der Tee und schließlich der Zucker. Die Ablehnung einer dritten Tasse Tee gilt als unhöflich: Die Einheimischen glauben, die erste sei gegen den Durst, die zweite zum Genuss und die dritte fürs Herz.
Die Inseln sind die Hauptattraktion der Region: Borkum, Norderney und Langeninsee – jede mit ihrem ganz eigenen Charakter. Borkum, die größte Insel, ist besonders bei Familien beliebt: Sie lockt mit breiten Stränden, Thermalquellen und sogar einer eigenen „Wüste“ aus Sanddünen. Norderney ist eine exklusive Insel für alle, die luxuriöse Zurückhaltung schätzen: Jugendstilvillen, Vogelschutzgebiete und ein autofreies Zentrum. Langeninsee hingegen ist ein beliebter Ort für Hippies und Künstler: Hier blüht die Ökokultur, und Yogis sieht man oft im Morgengrauen an der Küste.
Doch nicht nur die Inseln ziehen Besucher an. Die Küstenstädte Norden, Emden und Leer bewahren das Erbe der Hansezeit. In Leer zum Beispiel befindet sich das Freilichtmuseum, das Bauernhöfe aus dem 17. Jahrhundert mit Reetdächern und Innenhöfen nachbildet. Emden rühmt sich eines Schifffahrtsmuseums und eines Hafens, von dem im 17. Jahrhundert Walfangschiffe ausliefen.
Die Natur Ostfrieslands ist ein faszinierendes Zusammenspiel der Elemente. Der Nationalpark Untersächsisches Wattenmeer, ein UNESCO-Welterbe, beherbergt eines der größten Gezeitenökosysteme Europas. Bei Ebbe kann man durch das Watt wandern – Schlickflächen, die Heimat von Muscheln, Krebsen und Zugvögeln sind. Dies ist nicht nur ein Spaziergang, sondern ein ökologisches Abenteuer unter der Leitung zertifizierter Guides.
